Frankfurter Rundschau, 14. Juni 2005

"Längere Laufzeiten vertagen das Problem"

Der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge, mahnt, an den Plänen zum Atomausstieg festzuhalten

Professor Andreas Troge ist seit 1995 Präsident des Umweltbundesamtes, das jüngst von Berlin nach Dessau umgezogen ist. Das CDU-Mitglied warnt im FR-Interview davor, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern. Er widerspricht damit Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel, die dies für den Fall des Regierungswechsels angekündigt hat. Der Ökonom Troge argumentiert, ein späterer AKW-Stopp führe zu einer Verzögerung bei der Wende zu einer effizienteren Stromversorgung.

 

Frankfurter Rundschau: Rot-Grün und die Union streiten über den künftigen Kurs im Energiesektor. Die erneuerbaren Energien werden derzeit stark gefördert, schon zehn Prozent des Stroms kommen heute aus Wasser-, Wind- und Biomasse-Nutzung. Sollte dieser Kurs fortgeführt werden?

Andreas Troge: Wir müssen hier weiter zulegen. Eine vergleichbar große Anstrengung ist zudem bei der Energie-Effizienz nötig. Es geht um Energiesparen ohne Wohlstandsverzicht - bei den Kraftwerken, in den Unternehmen, im Verkehr, in den Haushalten. Hier haben wir große Reserven. Beispiel: unsere Wohnungen. Hier sind bei Heizung, Warmwasser und Strom im Schnitt 60 Prozent Einsparung drin.

Die noch amtierende rot-grüne Regierung will den Ökostrom-Anteil bis 2020 auf 20 Prozent erhöhen. Ist das realistisch?

Das ist beim Strom realistisch. Bei der gesamten Energieversorgung, also inklusive Wärme und Verkehr, können dann elf bis 13 Prozent erreicht werden. In diesen Sektoren ist es schwieriger, erneuerbare Energien einzuspeisen als beim Strom.

Kanzlerkandidatin Merkel hält die 20 Prozent für unrealistisch und zu teuer.

Die 20 Prozent sind der richtige Pfad. Unsere Studien zeigen, dass wir Mitte des Jahrhunderts durch die Bank mit einem Anteil von 50 Prozent regenerativer Energien rechnen können - falls der Energiebedarf wie gewünscht durch mehr Effizienz sänke.

Bei einem Regierungswechsel im Bund werden die Atomkraftwerke länger laufen als bisher im Atomkonsens festgeschrieben. Halten Sie das für sinnvoll?

Nein. Ich sehe nicht, wie man durch eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten den erneuerbaren Energien helfen will, denn so wird ja argumentiert. Laufen die Atomkraftwerke länger, bedeutet das: Wir lassen Grundlastkraftwerke am Netz, die - da längst abgeschrieben - Strom zu extrem niedrigen Kosten produzieren. Es werden weniger neue Kraftwerke gebaut. Damit würde der aus Klimaschutzgründen notwendige Trend zu einer stärker dezentralisierten Energieversorgung, bei der Strom und Wärme in Kraft-WärmeKopplung erzeugt werden und in der mehr erneuerbare Energien Platz finden, erheblich verzögert.

Die Union argumentiert: Die längere Laufzeit hilft beim Klimaschutz.

Eine längere Laufzeit vertagt das Problem nur, denn irgendwann muss der Ausstieg ja doch kommen. Aber man nimmt den Innovationsdruck weg, der zu einem modernen Energiesystem führt, das sich aus vielfältigen Energiequellen speist - neben Gas und Kohle aus Wind- und Wasserkraft, Biomasse, Photovoltaik, Geothermie. Deutschland ist da bisher auf einem guten Weg. Das hat Vorbildfunktion auch für viele Entwicklungsländer, die westlichen Lebensstandard erreichen wollen. Nicht zufällig wird unser Erneuerbare-Energien-Gesetz von Ländern wie China kopiert.

Die regenerativen Energien liefern nicht so kontinuierlich Strom wie etwa Kohle- und Atomkraftwerke. Ist denn trotzdem eine sichere Versorgung möglich?

Das geht. Im Prinzip ist die Anforderung nichts Neues. Wir arbeiten ja auch schon heute mit Pumpspeicher- und Gaskraftwerken als schnelle Eingreifreserve bei Strombedarfsspitzen. Das muss weiter ausgebaut und durch einen intensiveren europaweiten Stromverbund abgepuffert werden.

Interview: Joachim Wille

 

 

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