Rhein-Neckar-Zeitung, 14. Juni 2007

 

Ursula Brinkmann

Wie dem Klima unser Appetit aufstößt

Frisch, nah, fleischreduziert und biologisch erzeugt – wer sich so ernährt, tut auch was fürs Klima

 

Das Klima bleibt als Thema auf dem Tisch. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Klimaschädigende Treibhausgase haben aber viel mit dem zu tun, was bei uns auf den Tisch kommt. Wie wir uns ernähren, hat Folgen für das Klima, die uns beim Biss in den Burger eher nicht in den Sinn kommen. Allenfalls plagen die bewussteren Esser Sorgen um Regenwälder, die gerodet werden, damit auf der „gewonnenen“ Fläche Rinder für die Bulettenproduktion gemästet bzw. Sojapflanzen als Tierfutter angebaut werden können.

Schon bei der Errechnung des persönlichen „Ökologischen Fußabdrucks“, um den es im vorigen Artikel dieser Serie ging, zeigte sich, dass die Art und Weise unserer Ernährung mehr zur Erderwärmung beiträgt als wir annehmen. Überhaupt spielen Essen und Trinken bei der Treibhausgasbilanz eines deutschen Verbrauchers eine erstaunlich gewichtige Rolle; nur das Heiz- und unser Konsumverhalten erzeugt mehr CO2. Aber es rangiert noch vor den Folgen des Individualverkehrs. Schätzungsweise ein Fünftel der in Deutschland verursachten Treibhausgase hängen mit der Produktion, dem Transport und der Behandlung von Lebensmitteln zusammen.

Der CO2-Rechner von Greenpeace ermittelt beispielsweise aufgrund meiner Angaben zum Bereich Ernährung einen jährlichen Ausstoß von 1,56 Tonnen Kohlendioxid. Das liegt nur knapp unter dem deutschen Durchschnitt von 1,65 Tonnen. Würde ich auf Fleisch verzichten und mich ansonsten wie gewohnt ernähren, reduzierte sich meine CO2-Bilanz um 370 Kilogramm, also um ein knappes Viertel. Das ist zwar ein wesentlicher Teilaspekt, wir können jedoch mehr tun.

Woher das Fleisch und andere Lebensmittel kommen, spielt eine entscheidende Rolle. Das Schwäbisch-Hällische Landschwein, das kurz vor dem Aussterben stand und heute den Erfolg der dortigen bäuerlichen Erzeugergemeinschaft ausmacht, steht für einen weiteren Aspekt nachhaltiger Nahrungsmittelproduktion: für Frische, Vertrauen und Sicherheit in die Qualität. „Es ist das Prinzip des Denkens und Handelns in regionalen Wirtschaftskreisläufen“, sagte Rudolf Bühler, der Vorstandsvorsitzende jener Erzeugergemeinschaft, kürzlich auf einem Symposium zum Thema „Potentiale und Defizite nachhaltiger Ernährung“.

Gleiches gilt für Gemüse, Obst und Getreide. Stammt es aus der Region, wertet das die Klimabilanz auf. Mit dem Flugzeug transportiertes Obst und Gemüse belastet unser Klima 80-mal so stark wie Schiffstransporte und 300-mal mehr als Früchte aus der Region!. Da bringt auch der Bio-Aufkleber nichts mehr. Oder doch?

Äpfel, die beliebtesten Früchte der Deutschen, wachsen auch hierzulande nicht das ganze Jahr über. Was im Sommer und Herbst geerntet wird, muss eingelagert werden, damit auch im April knackige Ida Red und Jonagold im Regal zu finden sind. Das Kühlen wiederum schadet dem Klima. Neben der Empfehlung, regional einzukaufen, ist es daher genauso wichtig, sich saisonal zu ernähren. Die heimischen Streuobstwiesen lassen grüßen. Von den berühmten Erdbeeren im Winter lässt demnach der die Finger, der einen Beitrag zur Klimaschonung leisten will. Das Landratsamt hat 2006 eine Broschüre neu aufgelegt, die Adressen von Direktvermarktern im Neckar-Odenwald-Kreis liefert, wo man was „Frisch vom Hof“ bekommt. Einen etwas größeren Radius schlägt der „Bio-Einkaufsführer für Baden-Württemberg Nordwest“, der unter www.biozeichen-baden-wuerttemberg.de kostenlos bezogen werden kann.

Dass Lebensmittel aus Ökolandwirtschaft nicht nur den Boden, sondern auch das Klima schonen, ist ja schon fast eine Binsenweisheit. Für die Herstellung von Biolebensmitteln wird laut BUND bei gleicher Menge nur rund die Hälfte an Primärenergie verbraucht. Synthetisch-chemischer Dünger und Spritzungen entfallen weitgehend, Handarbeit ersetzt viel Maschinenarbeit. Die EU hat am Dienstag die Einführung eines einheitlichen Siegels für Produkte aus ökologischem Anbau beschlossen. Die Qualitätsanforderungen sind hier wesentlich höher als die für die sechseckig gekennzeichneten „Bio“-Lebensmittel.

Wem all das Regionale, Saisonale und Ökologische zu moralinsauer aufstößt, dem sei ein Argument genannt, das die genannten Ernährungsvorschläge neben aller Klimaschützerei eint: Es schmeckt!

 

 

 

 

 

 

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