Rhein-Neckar-Zeitung, 21. 11. 2005

 

Die Umweltkrise ist eine Kulturkrise

Vortrag von Prof. Kruse eröffnete die 4. KlimaMesse Aglasterhausen

Von Peter Lahr

 

Aglasterhausen. Am Freitagabend eröffnete der Vortrag von Prof. Dr. Lenelis Kruse die 4. KlimaMesse in der Festhalle Aglasterhausen. Die Öko-Psychologin untersuchte die Frage, wie man aus dem Wissen um den Klimawandel ein nachhaltiges Verhalten ableiten und umsetzen könne. Für die Veranstalter, die Grüne Liste Aglasterhausen und den Verein „Solarenergie und umweltfreundliche Energienutzung Neckar Odenwald“ (S.U.N.) konnte Birgit Thoma unter den 80 Gästen auch Bürgermeister Erich Dambach begrüßen.

Dem Gemeindeoberhaupt dankte Thoma im Namen des Organisationsteams dafür, dass er stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden habe. Thoma freute sich zudem, mit der Festrednerin eine der renommiertesten Forscherinnen in Aglasterhausen begrüßen zu können.

„Neues Klima – Altes Verhalten?“ hatte Prof. Dr. Lenelis Kruse ihren Vortrag überschrieben, stellte zunächst jedoch ihren wissenschaftlichen Werdegang vor. Seit den 1970er Jahren lebt die promovierte Psychologin in Waldwimmersbach. Sie lehrt nicht nur an der Fernuniversität Hagen, sondern unterrichtet als Honorar-Professorin auch an der Universität Heidelberg. Bereits seit Jahrzehnten nimmt die Sozialwissenschaftlerin an internationalen Projekten der Vereinten Nationen teil. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Umweltproblematik. Sie komme zwar viel in Deutschland herum, doch sei sie auch an lokalen Aktivitäten wie der KlimaMesse in Aglasterhausen interessiert, betonte die Rednerin, die eben von einem nationalen Treffen der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (www.dekade.org) zurückkehrte.

Da sich im Grunde – weltweit – jeder Mensch in Richtung auf eine nachhaltige Lebensweise hin verändern müsse, wollte Prof. Kruse die Bereiche Lernen und Bildung in den Mittelpunkt des Interesses rücken.

Besonders freute es die Rednerin, die den deutschen „Fachausschuss Wissenschaften“ der UN leitet, dass Aglasterhausen zu einem Geopark gehöre; sie selbst arbeite an dem seit 1970 bestehenden UN-Biosphärenprojekt mit.

Die Umweltkrise, davon zeigte sich Prof. Kruse überzeugt, sei das Ergebnis „fehlangepassten menschlichen Verhaltens“. Man könne deshalb überspitzt formulieren: „ Die ökologische Krise ist in Wirklichkeit eine Krise der Gesellschaft, eine Krise der Kulturen.“ Alle derzeit zu beobachtenden Umweltprobleme seien durch Menschen und menschliches Verhalten verursacht. In den 1960er Jahren kam es zunächst zu lokalen Müllproblemen. Es folgte die Energiekrise und seit den 80er Jahren werde die Menschheit Zeuge bisher so nie da gewesener, globaler Umweltveränderungen. Dazu zählten der Treibhauseffekt, die rasant zunehmende Wüstenbildung, Süßwasserknappheit und –verschmutzung sowie der Verlust der Artenvielfalt durch das Abholzen der südamerikanischen Regenwälder.

 „Wir müssen alles tun, um die anthropogenen Einflüsse auf die Natur abzumindern“, stellte Prof. Kruse klar, „deshalb brauchen wir eine umfassende Veränderung der Lebensstile.“ Als normatives Leitbild könne hier der auf der UN-Weltkonferenz in Rio 1992 geprägte Nachhaltigkeitsbegriff dienen, der ein Spannungsdreieck zwischen Ökonomie, Ökologie sowie der Gesellschaft und Kultur bildet. Alle Lebensbereiche, also Produktion, Konsum, Bauen und Wohnen, Freizeit und Mobilität müssten sich auf lokaler wie globaler Ebene ändern.

Welche Einflussfaktoren dazu führen können, dass der Mensch sein Verhalten ändere, sei nicht nur von seinem Alter und Kulturkreis abhängig.

Eine Menge an Möglichkeiten hierzu führte die Rednerin auf und verwies dabei auf die besonders schweren Hemmschuhe für eine nachhaltige Entwicklung, die den nachfolgenden Generationen angemessene Lebensbedingungen erhalten will.

Als Hauptproblem sah es die Rednerin an, dass die häufig schleichenden Umweltveränderungen nicht über die menschlichen Sinnesorgane erfasst werden können. Hinzu komme die äußerste Komplexität der Materie. Wenn Experten sich stritten, werde das gerne als Ausrede genommen, am Alten fest zu halten. Nur zu gerne verharre der Mensch zudem an lieb gewonnenen Gewohnheiten, mitunter sogar wider besseres Wissen – wie beim Bleifuß oder Rauchen.

Es sei zwar fast schon eine Binsenwahrheit, werde dennoch häufig übersehen: Wer zu einem anderen Verhalten auffordere, müsse zunächst Handlungsangebote schaffen. Hier nahm Prof. Kruse die Politik in ihre Pflicht. Es reiche nicht, die Leute aufzufordern, ihr Auto stehen zu lassen. Zuvor müsse ein akzeptables öffentliches Nahverkehrssystem aufgebaut werden. Auch belohnende Anreize wie ein Öko-Ticket oder kostenlose Beförderungen könnten dann für Motivation zum Umstieg sorgen.

Befragt darauf, was man denn in Aglasterhausen tun könne, machte Prof. Kruse deutlich: „In Aglasterhausen kann man keinen Schutz für das weltweite Klima organisieren.“ Gleichwohl lohne es sich, darauf zu schauen, wodurch der Klimawandel zustande komme, nämlich durch die Klimagase. Und wo werde CO2 produziert? Da sei man dann bereits mitten in den Bereichen privates Wohnen, Heizen und Autofahren. Car-Sharing oder S-Bahn-Anschlüsse mit genügend Park-and-Ride-Möglichkeiten forderte Kruse. Die Gemeinde könne zudem gegen die zunehmende Bodenversiegelung von derzeit 130 Hektar pro Tag in Deutschland aktiv werden. Auch in Kindergärten, Schulen und bei den Kirchen steckten spezielle Potentiale.

 

S.U.N. e. V.

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