Fränkische Nachrichten, 28. November 2007

Zuverlässig und umweltverträglich und rund um die Uhr

Wasserkraft im Landkreis und weltweit

 

von Christine Denz

Die archaische Kraft des Wassers wird seit Urzeiten genutzt. Mit Wasser „Strom zu machen“, ist hingegen eine Errungenschaft der Moderne. Die Stadt Adelsheim gehörte hier zu den Pionieren der Industrialisierung. Schon 1886 beschloss der Gemeinderat, die Weng’sche Mühle an der Seckach in Betrieb zu nehmen und die Stadt mit 30 Lampen zu beleuchten. Das Flüsschen Kirnau speist die zweite, die Adelsheimer Stadtmühle. Jüngst ebenso wie das Schloss und das Rentamt saniert und renoviert, schmückt sie das historische Stadtbild. 1980 beendete man das Jahrhunderte lange Getreidemahlen und rüstete vom teilweisen (ab dem Jahr 1926) zum vollständigen Wasserkraftwerk um. „Jeder hat hier früher in der Mühle sein Mehl gekauft“, erzählt Wolfgang Schork, Sohn des früheren Verwalters der  Adelsheim’schen Liegenschaften und heute selber im Dienst von Louis v. Adelsheim stehend.

Der 40-KW-Generator bringt bei gutem Wasserdurchfluss den modernen Lebenssaft bei, den 40 Durchschnittshaushalte heute benötigen. Zuverlässig und umweltverträglich und rund um die Uhr, weil das Wasser immer fließt. „Für die Grundlast“, heißt es dann in der Fachsprache. Vom Mutterfluss Kirnau wird Wasser für den Mühlkanal abgezweigt. Dieses durchströmt ein Fanggitter, das Äste und anderes Sperriges zurückhält. Der Schwung durch den sich anschließenden Wasserfall treibt die Turbinen an, die mittels eines Generators Strom erzeugen. Der Mühlkanal mündet dann wieder in den Fluss. Mussten früher die Mühlenwarte den Wasserstand über Handrad regulieren, besorgt das heute eine moderne Mechanik. Probleme aber bereitet der im Wasser gelöste Kalk. Abhilfe kann Wolfgang Schork nur schaffen, indem er die Turbinen in ihre Einzelteile zerlegt, sie vom hinderlichen Belag befreit und wieder zusammenbaut. „Ein Multitalent“, charakterisiert ihn Louis von Adelsheim.

Die Nutzung der Wasserkraft hat eine wechselvolle Geschichte. Seit den 1960igern setzte man auf die zentrale Energieversorgung, auf die Großkraftwerke. Die Konzerne wurden mächtig. Die Energieversorgung Schwaben EVS (Vorläufer der EnBW) bot den Betreibern der kleinen Wasserkraftwerke das Geld für ungefähr eine (!) Jahresproduktion, wenn sie ihre Mühle stilllegten. Manche ließen sich darauf ein, die Stadtmühlen-Besitzer aus nachvollziehbarem Grund nicht. Im Neckar-Odenwald-Kreis gibt es knapp 50 Kleinwasserkraftwerke, die zum größeren Teil außer Betrieb, aber oft noch mit den Wasserrechten ausgestattet sind. Die höchste Strommenge liefern die beiden Staustufen Neckarzimmern und Guttenbach. Sie sind im Besitz der Neckarwerke AG.

In den letzten 100 Jahren wurden in Deutschland rund 50.000 Kleinwasserkraftwerke stillgelegt. Aber der Trend kehrt sich um. Mit dem Stromeinspeisungsgesetz von 1991 ist ihre Anzahl von 4.400 bis heute auf über 6.000 gestiegen. Allein diese reaktivierten Anlagen liefern zusätzlich zu den bereits bestehenden für mehr als 200.000 Haushalte umweltschonenden Strom. Hier besteht noch ein echtes Ausbaupotenzial. Die sog. „Große Wasserkraft“ ist zwar erschlossen; aber durch eine Modernisierung können auch hier noch deutliche Leistungssteigerungen erzielt werden. So soll durch den geplanten Neubau des Kraftwerks Rheinfelden die Stromproduktion um mehr als das Dreifache erhöht werden.

Und was tut sich weiter in Adelsheim in puncto regenerative Energien? Louis v. Adelsheim spricht von „realistischen Visionen“. Grundsätzlich interessiere ihn das Thema sowieso. Er komme aus einer Familie, die seit 30 Jahren konsequent und radikal sich weigert, Land zu verkaufen und damit eine Ausweitung des Atommülllagers in Gorleben verhindert. Als Landrat Dr. Brötel das 100%-Ziel für den Haushaltsstrom bis 2009 verkündet hat, habe er dieses verknüpft mit seiner ohnehin vorhandenen Stadtmühle und dem ins Auge gefassten Wasserwirbelkraftwerk in der Kirnau nahe dem Schloss. „Adelsheim leuchtet“ brauche sehr viel Strom; an den 20 Abenden jeweils 100 KW. Das sei die Produktion der Stadtmühle von 50 Tagen.

„Man kann nicht alternative Energien nutzen wollen, ohne das Bewusstsein zu haben, dass wir einsparen müssen.  Deswegen wollen wir künftig mit den effizienten LED-Leuchtdioden arbeiten.“ In Adelsheim gibt es in den dauerhaften Installationen schon das künstlerisch sehr reizvolle blaue Murano-Neon. Es ist zwar teuer in der Anschaffung, verbraucht jedoch minimal Strom bei einer Lebensdauer von bis zu 100.000 Stunden. Darüber hinaus darf man gespannt sein, was sich der Licht- und Videokünstler noch einfallen lässt. Mit der ehrenvollen Aufnahme von „Adelsheim leuchtet“ in die Aktion „365 Orte im Land der Ideen 2008“ brauchen er und sein Assistent Jochem Reinholdt neue Geistesblitze.

 

Technische Daten

Stadtmühle Adelsheim max. 40 KW, Strom für 40 Haushalte.

Weng’sche Mühle max. 50 KW, 50 Haushalte.

75% des Wasserkraftpotenzials in Baden-Württemberg und Bayern.

„Europäische Wasserrichtlinie“ bei Reaktivierung beachten: naturschutzrechtliche Bestimmungen, zahlreiche Restriktionen in Baden-Württemberg.

Vergütung erfolgt nach dem EEG.

In Deutschland deckt Wasserkraft derzeit 4% des Strombedarfs, weltweit ca. 16%.

Technisches Ausbaupotenzial für gesamten Weltstrombedarf vorhanden;

Wirtschaftlich wäre derzeit rund die Hälfte.

 

S.U.N. e. V.

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