Fränkische Nachrichten, 23. November 2007

„Wir brauchen viele kleine Standorte“ - die Biogasanlage in Altheim verwertet alle ihre Produkte: Strom, Wärme und Substrat

von Christine Denz

 

Altheim im Ortschafts-Mix von Walldürn hat Chancen, das Prädikat „Ökoenergie-Dorf“ zu erhalten. Im Jahr 2001 wurde der Bürger-Windpark „Altheimer Höhe“ mit zwei Windkraftanlagen gebaut, sechs Jahre später im Tal im Industriegebiet eine Biogas-Anlage. Diese gehört drei Bauland-Landwirten. Die hier aus Wind und Biomasse hervorgegangenen „Produkte“ Strom und Wärme reichen rein rechnerisch, um mehrere Dörfer komplett zu versorgen, teilweise sogar noch für Sprit zum Autofahren. Die „Fränkischen Nachrichten“ sprachen mit Herbert Kempf, einem der drei Geschäftsführer der Biogas-Altheim GmbH & Co KG.

 

Eine Biogasanlage ist anfangs wie ein großer Kochtopf: Alle Zutaten müssen eine bestimmte Mischung haben, werden immer gut umgerührt und brauchen eine gleichmäßige Temperatur, um „gar“ zu werden. In den Kochtopf, sprich: Fermenter, hinein kommen gehäckselte Tricitale (Kreuzung zwischen Weizen und Roggen), Gras und Mais aus den Vorratssilos. Rindergülle wirkt als Starter. Millionen von Bakterien bringen die Getreide-Suppe unter Luftabschluss zum Gären. Das Ergebnis ist zunächst Biogas und ein hochwertiges Substrat, mit dem die Felder gedüngt werden. Als Folge der Vergärung ist es für die Pflanzen und für den menschlichen Geruchssinn verträglicher als Gülle. Der Boden erhält so die Nährstoffe wieder, die ihm vorher von den Pflanzen entzogen worden sind. Ein kleiner Kreislauf also.

Das Biogas arbeitet auf andere Art weiter. Der Energieträger wird in einem Rohrsystem in der Erde erst einmal auf natürliche Weise abgekühlt und dann in einem Blockheizkraftwerk verstromt. Bei diesem Prozess entsteht noch mehr Wärme. Der Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist und entsprechend dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet. Aber wohin mit der Wärme? Heizt sie die Umgebung auf, oder ersetzt sie – viel besser! - fossile klimaschädliche Brennstoffe? Das ist bei der Biogas-Anlage in Altheim der Fall. Die wirtschaftliche und ökologische Ausbeute kann sich somit sehen lassen.

Warum und wann sind die drei Landwirte auf diese innovative Idee verfallen? Herbert Kempf, Bernd Lauer und Benno Sans wollten dem (damaligen) Verfall der Getreidepreise und damit der Bedrohung ihrer Höfe nicht tatenlos zusehen. Sie bereisten im Jahr 2005 Biogasanlagen, so z. B. die in Wolpertshausen im Hohenlohischen, die schon seit 15 Jahren läuft – und entschlossen sich: „Das machen wir“. Rund 300 ha Anbaufläche brauchen sie, um ihre Anlage ganzjährig zu „füttern“. Ganz auf „Energiewirt“ umgestiegen sind sie nicht. Sie bewirtschaften nach wie vor ihr Land samt ihren Nutztieren.

Die Anlage produziert bereits seit November 2006. Auch Hightech ist mit im Spiel. Per Computer werden die Zutaten im richtigen Verhältnis gemischt, werden die Prozesse gesteuert und kontrolliert. Dafür wurde jemand eingestellt. Das klug durchdachte Konzept geht auf. Der Standort wurde optimal geplant. Ein Netzanschluss für den Strom ist vorhanden. Einen Steinwurf entfernt steht die örtliche Sport- und Festhalle und die Firma Perga-Plastic. Beide benötigen viel Wärme, vorwiegend in der kälteren Jahreszeit. Logisch? Nicht unbedingt. Denn die Firma Perga-Plastic will im Sommer die gelieferte Wärme in kühle gleichmäßige Temperaturen umwandeln und damit ihre Produkte hochwertiger machen. Derzeit werden die letzten Rohre für die Nahwärmeleitung verlegt. Dann ist auch hier die Effizienz Trumpf – ökonomisch und ökologisch. 200.000 Liter Öl jährlich werden allein durch das regionale Produkt „Wärme“ ersetzt. An Ökostrom erzeugt die Anlage  rund 4 Millionen Kilowattstunden im Jahr. So viel brauchen etwa 1.000 Haushalte.

Besonderen Wert legten die drei Landwirte beim Bau der Anlage darauf,  Geruchs- und Lärmbelästigungen für das benachbarte Wohngebiet zu vermeiden. Das wird durch starke Betonwände garantiert. Herbert Kempf bringt zudem auch energiepolitische Überlegungen ins Spiel: „Wir müssen von der zentralen Energieversorgung wegkommen, brauchen viele kleinere Standorte.“ Das verringert die Abhängigkeit von den Energiekonzernen. Biomasse liefert zuverlässig rund um die Uhr Strom und Wärme, taugt also als Grundlast.

Bundesweit gab es Ende 2006 ca. 3.500 Biogasanlagen. Selbst in Städten besteht für Biomasse eine Perspektive. So werden in einem Lübecker Neubaugebiet generell Vakuumtoiletten eingebaut, wie sind in Zügen verwendet werden. Das spart Wasser und die Kanalisation. Die Fäkalien werden direkt einer Biogasanlage zugeführt.

Finanzielle und technische Daten

526 KW elektr. Leistung; 650 KW thermische Leistung. Jährliche Stromerzeugung rund vier Mio Kilowattstunden (kWh); der Wärmeertrag liegt bei sechs Mio kWh. Vollständige Nutzung der Wärme durch Beheizen der Fermenter, durch Wärmelieferung an die kommunale Halle und den benachbarten Betrieb. 200.000 l Öl werden eingespart. Investitionsvolumen 2 Mio Euro; Stromvergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 9,6 ct/kWh + 6 ct als NaWaRo-Zuschlag (nachwachsende Rohstoffe); 20 Jahre lang garantiert. Der Wärmepreis ist Verhandlungssache.

 

S.U.N. e. V.

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